Verena

 

Ich habe heuer im Juni eine Malwoche bei Astrid erleben dürfen, die auf vielen Ebenen sehr bereichernd und eindrucksvoll war. Angekommen bin ich an einem regnerischen Tag, kurz nach der Zeit der Unwetter in den Marken und Emilia Romagna - auch bei der Anfahrt konnte ich noch die Zeichen der Überschwemmungen sehen. Aber kaum angekommen in der Palombara tauchte ich in eine andere Welt ein. 

Ich wurde herzlich von Astrid und Giovanni (und manch vierbeinigem Freund) empfangen. Das Haus, die Ateliers, der Garten, überall gibt es liebevolle Details, Inspirationen, künstlerische Spuren, alt&neu, wild&harmonisch, viele ooohhhs und aaaahhs, weil ich immer wieder neue schöne Ecken entdeckte. Der Ort hat für mich einen ganz besonderen Charme.

Ich war mit Astrid alleine im Atelier - auch wenn es anders geplant war - aber es sollte sich herausstellen, dass es für mich ein großes Geschenk war. 

Am ersten Tag zeigte sie mir die Malutensilien, erklärte mir ein paar Grundlagen (wie Pinsel waschen, wie Farben entnehmen, ...) und wir legten schon gemeinsam auf den 2 Leinwänden los. Es war ein spannender Prozess, und im Nu war die Fläche bunt gefüllt. Während der Trocknungsphase war Zeichnen mit Ölkreiden am Plan - ich konnte mich richtig hineinfallen lassen, sitzend im Garten mit einer herrlichen Aussicht.

Nach dem Mittagessen kam die nächste Phase, das Weitermalen an einer Leinwand, das Intensivieren der Farben, das Betonen einiger Formen, und dann kam ich wieder an den Punkt, den ich von Malversuchen zu Hause schon sehr gut kannte - wie soll ich weitermachen und was soll das Bild ausdrücken? Blockade.

Ich wünschte mir in der Malwoche Anleitung und Unterstützung, um diese Schwelle zu überwinden, und Astrid hatte sehr viel Erfahrung darin. Zurückgehen, hinsetzen, aus der Distanz anschauen, wirken lassen, überlegen. Der eigenen Inspiration folgen, sich entscheiden, und sich führen lassen. Ein Balanceakt aus Intuition und Intention. Eine ganz schöne Herausforderung an manchen Stellen, aber Astrid kam immer wieder zur rechten Zeit ins Atelier und hat ein sehr gutes Gespür dafür, was es gerade braucht. ("Mach mal Pause!", "geh doch zwischendurch mal raus", "mach was mit den Ölkreiden, du siehst nicht mehr klar"). Die Leinwand übte immer wieder einen Sog auf mich aus, dass ich komplett Zeit und Raum und den Rest der Welt vergaß und manchmal auch nicht bemerkte, dass ich anstand und trotzdem unbedingt weitermachen wollte - manchmal wurde es dann zuviel des Guten. Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich am Abend stur weitermachte, und dann kam Astrid mit den Worten: "Verena, es ist genug für heute, sonst ist am Ende das ganze Bild gelb...".

Ich teilte die Wahrnehmung nicht und machte mich widerwillig ans Aufräumen, weil ich doch schon müde war. Am nächsten Morgen sah ich dann selbst die ausgedehnten leuchtend-gelben Flächen an vielen Stellen im Bild und musste schmunzeln.

Ich hatte so große Lust am Malen, dass ich viele Stunden jeden Tag im Atelier verbrachte, teils mit Astrids Jazz im Ohr, teils mit vierbeinigem Besuch, teils in Stille alleine, unterbrochen von Pausen, Spaziergängen und Bildbesprechungen. Es war zwar teils herausfordernd und das lange Stehen auch anstrengend, und trotzdem war die Zeit entspannend.

Mit der Zeit und den vergehenden Tagen wurde ich mutiger im Malprozess, es ging mehr in die Tiefe, und wir begannen nochmal gemeinsam mit einer neuen Leinwand - diesmal mit Spachteltechnik. Das machte mir sehr viel Spaß, es war wieder eine andere Herangehensweise, hinterlässt sehr klare Spuren. Dann kam wieder der Moment des Entscheidens, wo die Reise hingehen soll auf dieser Leinwand, und Astrid zeigte mir, wie man zusammengehörige Teile im Bild erkennen und sie herausarbeiten kann, wie man dem Bild Perspektive und Tiefe gibt und einige technische Möglichkeiten zeigte sie mir auch noch.

An diesem Bild sah ich meinen Fortschritt im Vergleich zum Beginn der Woche. Ich ging immer wieder selbst vom Bild weg und sah neue Schritte, traute mich mehr auszuprobieren, hatte einige neue Techniken schon recht gut einsetzen gelernt. An Stolpersteinen war Astrid immer zur Stelle, um mich auszubalancieren. Ich kostete das Malen im Atelier bis zum letzten Augenblick mit voller Freude aus und konnte mir viel mitnehmen.

Eine weitere Bereicherung - neben dem von Astrid angeleiteten Malprozess - war Giovannis wunderbare Vollverpflegung. Er zauberte aus regionalen Zutaten wahre Kunstwerke in der Küche, immer wieder neu, immer wieder unglaublich lecker. Giovanni nahm beim Kochen auch auf meine Allergien Rücksicht - ein zusätzliches Plus für mich. Es war wirklich jeden Tag eine Freude, sich an den Tisch zu setzen und mit Giovanni und Astrid über Gott und die Welt zu reden.

Darüber hinaus ist die Landschaft in der Umgebung wirklich toll. Ich ging mit Astrid Blüten und Wildkräuter sammeln und eine Nachbarin besuchen. Zweimal kamen Freundinnen von Astrid und Giovanni vorbei, zum Essen und - noch ein Höhepunkt der Woche - zur Sichtung von Astrids neuesten Bildern. Ich war und bin immer noch sehr beeindruckt von der Aussagekraft und Tiefe ihrer Bilder. Manche sind verspielter, manche haben für mich etwas Mystisches an sich, jedes einzelne Bild spricht Bände.

Was habe ich mir von der Malwoche mitgenommen? Neben vielen tollen Eindrücken, drei gemalten Bildern und schönen Momenten mit wundervollen Menschen (und Tieren) auf jeden Fall einen ganzen Koffer an Tipps, technischem Know-How, Inspirationen, Erfahrungen und eine große Lust, am Malen dranzubleiben.

Ein betontes Arrivederci war der Abschiedsgruß von Astrid. Und wer weiß, womöglich sehen wir uns wirklich wieder in der Palombara.

Ein GRAZIE DI CUORE euch beiden!

 
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Doris

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Annette